montabaur.de MONTABÄURER MERKWÜRDIGKEITEN Geschichten, Skurrilitäten und Anekdoten aus fünf Jahrhunderten Eine unterhaltsame Sammlung von Bernd Schrupp
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Inhalt Einleitung 4 Vorwort Bürgermeisterin Melanie Leicher 5 In Memoriam Paul Widner 6 1 Alter Galgen 8 2 Beethoven 8 3 Der Kurfürst kommt 9 4 Ein Original 10 5 Ein Werbegag am Haus 11 6 Das gefährliche Wasser 12 7 Die Kette, die zu kurz war 12 8 Fliegenjagd auf Amerikanisch 13 9 Der Hubschrauber-Prinz 14 10 Der Jubiläumswein 15 11 Neues Gemüse 16 12 Napoleons Bruder 17 13 Ein Richtfest ohne Rohbau 17 14 Warum Roter Löwe 18 15 Gegen die Schwarzen Teufel 18 16 Auf die Barrikaden 20 17 Der Skatspieler-Trick 22 18 Dicke Luft im Stinkegässchen 22 19 Die Nonnen von Montabaur 23 20 Umweltschutz Anno 1746 24 21 Als Ehrenbürger abgelehnt 24 22 Zum Heiligen Geist 25 23 Der Wolfsturm und die Hexen 26 24 Wandlungen – der Stadtname 27 3
Einleitung Zu dieser Sammlung hat mich der 2020 verstorbene Oberstudienrat i.R. Paul Widner inspiriert - langjähriger Lehrer am Mons-Tabor-Gymnasium, Kommunalpolitiker viele Jahre einziger männlicher Stadtführer von Montabaur. Bei der Suche und Aufbereitung historischer Begebenheiten war er mir immer ein wertvoller Begleiter. Ob ernste Themen wie jüdisches Gedenken oder humoristische Exkurse in die Stadtgeschichte: Er hat alles mit demselben Engagement und derselben Brillanz präsentiert. Paul Widner hat unter anderem Westerwälder Spitznamen gesammelt und sie erläutert. Beispiele für die Einwohner von Nachbarorten Montabaurs sind die „Ommeze“ (Ameisen) aus Horressen, die „Elberter Gickel“ (Hähne) aus Niederelbert oder die „Galjennägel“ (Galgennägel) aus Heiligenroth. Als Lügenbaron in einer Fantasieuniform à la Münchhausen führte Paul Widner augenzwinkernd durch die lokale Geschichte. In dieser Rolle hielt er auch hintergründige Vorträge, besonders gerne und zur Freude seines Publikums. Das Manuskript unseres gemeinsamen Vortrags im Januar 2017 in einem Seniorenheim ist die Basis für dieses kleine Buch mit Skurrilitäten und Anekdoten aus fünf Jahrhunderten Montabaurer Geschichte, frei erzählt nach historischen Quellen und Erinnerungen. Im Gedenken an Paul Widner wünsche ich allen viel Spaß bei der Lektüre. Bernd Schrupp (BS) Weitere Autoren: Jürgen Ketzer (JK) Franz Josef Löwenguth (FJL) K.K. Meister (Mstr) Paul Possel-Dölken (PD) Uli Schmidt (USch) Stadtarchiv Montabaur (StA) Paul Widner (PW) Stefan Wild (SW) 4
Grußwort Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde unserer Stadt, wer durch Montabaur spaziert, sieht auf den ersten Blick Fachwerk, Geschichte und ein stolzes Schloss über der Stadt. Doch wer genauer hinhört, der entdeckt noch viel mehr: Alte Anekdoten, seltsame Begebenheiten und Geschichten, die manchmal so unglaublich sind, dass sie einfach wahr sein müssen. Mit diesem Booklet laden wir Sie ein auf eine unterhaltsame Reise durch die kleinen, skurrilen und liebenswerten Seiten unserer Stadt. Sie werden Bekanntschaft machen mit Originalen, kuriosen Ereignissen und Geschichten, die seit Generationen weitergetragen werden – manchmal mit einem Augenzwinkern, manchmal mit offenem Staunen. Diese Sammlung zeigt, dass Montabaur nicht nur schön, sondern auch überraschend und manchmal herrlich schräg ist. Und gerade das macht unsere Stadt so besonders. Mein herzlicher Dank gilt Bernd Schrupp, der mit viel Herzblut und Engagement die Geschichte und die Geschichten unserer Stadt festhält. Möge dieses Heft Sie zum Schmunzeln bringen, zum Staunen – und vielleicht dazu, beim nächsten Spaziergang durch Montabaur noch etwas genauer hinzusehen. Viel Vergnügen beim Entdecken unserer kleinen großen Geschichten! Ihre Melanie Leicher Stadtbürgermeisterin 5
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In Memoriam Paul Widner Paul Widner war Lehrer für Deutsch und Geschichte am Mons-Tabor-Gymnasium in Montabaur. In seiner Freizeit und verstärkt im Ruhestand widmete er sich der Geschichte der Stadt und der Region. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Schicksale der Mitbürger jüdischen Glaubens aufgearbeitet wurden und das Gedenken an sie dauerhaft ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Er war in der Kommunalpolitik aktiv, saß in den Räten von Stadt, Verbandsgemeinde und Westerwaldkreis. Paul Widner erhielt den Verdienstorden des Landes und war Träger der Petrusplakette der Stadt Montabaur. Viele Besucher und Einwohner der Stadt kennen ihn noch in seiner Paraderolle als „Lügenbaron Paul von Monte Taboro“, der bei Stadtführungen erfundene und wahre Geschichten erzählte und damit seine Zuhörer zum Lachen und zum Nachdenken brachte. Einige dieser Anekdoten hat er auf Tonträger aufgenommen, so blieben sein Wissen, sein Humor und seine Stimme erhalten. Am 27.06.2019 wurde Paul Widner für seine Verdienste um die Stadt die Petrusplakette verliehen. Paul Widner starb 2020 unerwartet im Alter von 75 Jahren. Hier geht es zu den „Montabaurer Geschichten“, gesprochen (30.09.2016) von Paul Widner. 7
Alter Galgen Industriegebiet nördlich der Stadt, jenseits der BAB A3 und der ICE-Strecke Köln-Frankfurt, erschlossen seit 1978. Die Bezeichnung „Alter Galgen“ leitet sich vermutlich von einer Richtstätte ab, die um 1600 für das wenige Meter südlich gelegene Allmannshausen genannt wird. K.A.A.- Meister schreibt dazu in seiner „Geschichte der Stadt und Burg Montabaur“, Montabaur 1876,: „Wahrscheinlich war hierbei [Sturm am Ostermontag, 27.03. 1606] auch der Galgen bei Allmannshausen umgestürzt, denn im Jahre 1608 wurde ein neuer aufgerichtet“. Allerdings ist bereits für 1520-1526 eine Hinrichtungsstätte des „Hochgerichts bei Allmannshausen“ bezeugt, da in diesen Jahren fünf Hinrichtungen durchgeführt wurden. Dabei wurde nicht zimperlich mit den Delinquenten umgegangen. Meister zitiert aus einer zeitgenössischen Quelle: „Sint de selbigen zwene (zwei) uff einen morgen uffzwey redder (Räder) gesast (gesetzt) und armen und beyn mit eyner axe (Axt) zerschlagen und darna ine Heuffter (Häupter) abegeslagen.“ Den Karren hatte man in Mogendorf anfertigen lassen. (BS/Mstr.) Beethovens gefährliche Reise durch den Westerwald Zur Zeit der Revolutionskriege mit Frankreich, in deren Verlauf General Custine Limburg/ Lahn erreichte und der Westerwald wegen der Kriegsereignisse sehr unsicher war, reiste Beethoven von Bonn nach Wien. Die Postkutsche benutzte die linke Rheinuferstraße (heute B 9) bis Koblenz. Die Weiterreise erfolgte dann von Koblenz über den Westerwald (heute B 49) nach Limburg. Am 02.11.1792 fand in Montabaur ein planmäßiger Halt statt. Im Verlauf der Weiterfahrt geriet die Postkutsche zwischen die Kampffronten der französischen Revolutionsarmee unter General Custine und Oberst Houchard einerseits, sowie hessischen Truppen unter Oberst Schreiber. Diese hatten am 03.11.1792 bei Koblenz den Rhein überschritten und bewegten sich gleichfalls auf Limburg zu. Trotz 8
Der Kurfürst kommt Aus dem Lehenswesen kennen wir den Begriff der „Huldigung“. In unserer Geschichte ist es der öffentliche Treueeid der Untertanen, gegenüber dem Landesherrn (meist nach Neuwahl). Die Huldigung erfolgte im Rahmen einer festlichen Zeremonie vor dem Rathaus, begleitet von einem Volksfest. Der Kurfürst spendete 1 Fuder Weißwein (ca. 1000 Ltr.), der von der Bürgerschaft unter dem „roten Löwen“ (landläufige Bezeichnung für das Rathaus) konsumiert wurde. Allerdings hatte die Stadtobrigkeit verordnet wohl bekleidet zu erscheinen, sich würdevoll zu benehmen und sich nicht mit Wein und Branntwein zu betrinken. Auch das Rauchen sollte unterlassen werden und stattdessen zum Handgelöbnis und Handkuss mit wohlgewaschenen Händen zu erscheinen. Das war Anno 1600 zur Huldigung des Kurfürsten/Erzbischofs Lothar von Metternichs. dieser militärischen Wirren gelang es dem Kutscher, seine Postkutsche heil bis nach Frankfurt zu bringen. Ein Reisebegleiter hielt dazu in seinem Tagebuch fest: „Koblenz – Montabaur, 4 Reichstaler, 1,5 d. Sperrgeld für Koblenz, 48 Kreuzer, Trinkgeld, weil der Kerl uns mit Gefahr, Prügel zu bekommen, mitten durch die hessische Armee führte er und wie ein Teufel fuhr, einen kleinen Taler, zu Mittag gegessen, 2 Gulden, Post Montabaur-Limburg, 3 Gulden, 57 Kreuzer …“. Ein Großvater Beethovens mütterlicherseits, Johann Heinrich Keverich ist in der Katholischen Kirche „St. Aldelphus“ zu Salz /Ww bestattet. (BS) 1Ludwig van Beethoven (* 17. Dezember 1770 in Bonn; gest. 26. März 1827 in Wien) war ein deutscher Komponist der Wiener Klassiker. 9
Den Dienstmann findet man heute nur noch selten, dafür selbstlaufende Transportbänder, verchromte Gepäckmuli oder Trollis. (BS/FJL) Ein Original „Dienstmann“ ist eine heute nicht mehr geläufige Bezeich- nung. Man sah sie bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts meist an Bahnhöfen. Sie waren den Reisenden mit dem Gepäck beim Ein- und Ausladen behilflich und unterstützen diese mit einem Karren beim Transport der Koffer und Taschen bis zu ihrem Reiseziel. Einen solchen „Dienstmann“ hatte auch Montabaur, in Person von „Gromigs Karl“. Erkennbar an der roten Schirmmütze mit dem blank geputzten Messingschild, in das die Aufschrift „Dienstmann“ eingraviert zu lesen stand, bot er seine Hilfe den Reisenden an. Er hatte sogar eine eigene Visitenkarte mit seinem Portrait und Fotos von Sehenswürdigkeiten der Stadt. Außerdem zierte ein Werbetext seine Karte: „Gar schwer ist heutzutage das Leben! Doch wollt ihr Besserung erstreben, dann braucht ihr nur nach mir zu fragen, ich helf’ euch alle Lasten tragen. Kein Koffer ist mir ja zu schwer, ich schlepp ihn hin und schlepp ihn her, Man(n) kennt mich an der Mütze rot, als treuer Helfer in der Not. Drum liebe Leute lasst euch sagen, lasst das Gepäck vom Dienstmann tragen. 10
Ein Werbegag am Haus Das auffällige Spruchband an einem schönen Fachwerkaus in der Kirchstraße: „Freiherr vom Stein war dieses Haus. Gott segne hier das Ein und Aus“ könnte die Erbauung des Hauses der Familie vom Stein zuzurechnen sein; es war aber letztendlich jedoch nur ein Werbegag. Das Haus gehörte ursprünglich der adeligen Familie „von Brambach“. Georg Ludwig von Brambach war ein „Beamter“ der kurtrierischen Verwaltung und von 1636 bis 1645 als Amtmann (Amtsverwalter) in Montabaur tätig und sesshaft. Am 15. Juni 1678 verkauften die von Brambach das Haus an Ludwig Christoph Freiherr vom Stein. Ein vom Stein wird bereits im 14. Jahrhundert als Burgmann des Kurfürsten Werner von Falckenstein genannt. Die aus Nassau an der Lahn stammenden vom Stein bewohnten allerdings das Haus nicht selbst. In der Folgezeit wurde es an in Montabaur tätige höhere Verwaltungsbeamte der kurfürstlichen Verwaltung vermietet. Am 4. September 1780 verkauften die vom Stein das Haus an den letzten kurfürstlichen Amtsverwalter Damian Linz. Er war Amtsverwalter von 1776 bis 1803 und nach der Eingliederung in das Fürstentum/ Herzogtum Nassau-Weilburg nassauischer Hofrat bis 1808. Spätestens 1882 kommt das Haus an Peter Jung, der dort ein Galanterie- und Spielwarengeschäft betreibt. Als Werbegag lässt Peter Jung den auf die Familie vom Stein bezogenen Text am Haus anbringen, um damit die Neugier von Kunden zu wecken. ACHTUNG WERBUNG 11
Das gefährliche Wasser Kurfürst/Erzbischof Richard von Greifenklau besuchte nach der Rückreise vom Augsburger Reichstag (20. Juni bis 19. November 1530) Montabaur. Nach einer Überlieferung soll er sich in einem Haus am Kleinen Markt an einem Brunnen, der von einer Quelle vermutlich am Fuße des Burgbergs gespeist wurde, erfrischt haben. Nach dem Trunk fühlte sich der Kurfürst/Erzbischof unwohl und man verschloss daraufhin die Quelle, indem man sie zuschüttete. Am 13. März 1531 verstarb der Kurfürst/Erzbischof im Schloss Ottenstein bei Wittlich. Bereits während der Krönungsfeierlichkeiten zum römisch-deutschen Kaiser Ferdinands von Habsburg am 11. Januar 1531, an dem er noch teilgenommen hatte, fühlte sich er Erzbischof nicht wohl und führte seine „Vergiftung“ im Körper öfter auf den kalten Trunk in Montabaur zurück. Die Kette, die zu kurz war Am 12. Dezember 1979 fasste die NATO den sog. „Doppelbeschluss“. Dieser Beschluss war die Reaktion auf die Aufstellung atomarer Raketensysteme durch die UdSSR. Dadurch wollten die NATO-Staaten einerseits adäquate westliche Waffensysteme dagegen stellen, aber andererseits eine internationale (atomare) Rüstungskontrolle einleiten. Nachdem die Rüstungskontrollverhandlungen im November 1982 in Genf gescheitert waren, gab es in vielen NATO-Staaten Protestaktionen, die gegen eine Aufstellung atomarer Raketenwaffen, die gegen den potenziellen Gegner, die UDSSR, gerichtet waren. In Deutschland fand die größte Kundgebung am 10.10.1982 im Bonner Hofgarten, mit rd. 300.000 Menschen statt. Trotz heftigem Widerstand aus der Bevölkerung beschloss der Deutsche Bundestag am 22.11.1983 den ersten Teil des Doppelbeschlusses, durch Aufstellung der Pershing II Raketen in Deutschland, zu vollziehen. Seit Stationierung des Raketen-Artilleriebataillons 350 in der Montabaurer Westerwaldkaserne und dem Bezug eines „Sondermunitionslagers“ im Wald bei Horressen, geisterten Gerüchte durch den Westerwald, die die im Munitionslager Horressen angeblich gelagerten Raketen-Sprengköpfe betraf. Daher war es nur eine Frage der Zeit, dass eine „Westerwälder Friedensinitiative“ auf den Plan gerufen wurde. Diese Initiative wollte zum 1. Jahrestag der Hofgarten Demonstration am 17. Oktober 1982 eine Menschenkette bilden, um gegen eine Auf- und Nachrüstung des Westens ein Signal zu setzen. Geplant waren ca. 2000 Teilnehmer zum Mitmachen zu finden, die vom Konrad-Adenauer-Platz bis zur Westerwald-Kaserne eine Menschenkette bilden sollten. 12
In diesem Kontext ist auch eine weitere Regelung zu verstehen. Danach wurden die Landwirte in der Stadt verpflichtet, den Stallmist mindestens 2 x in der Woche auszufahren und mindestens 1000 Meter vor der Stadt abzulagern. Heute gibt es eine (noch umstrittene) Regelung, wonach Windräder einen Mindestabstand von 1000 Meter zur nächster Wohnbebauung einhalten müssen; so ändern sich die Zeiten. (BS) Leider fanden sich nicht genügend friedenswillige Westerwälder in der Kreisstadt ein, um den Plan zu verwirklichen. Auch waren die angekündigten „zahlreichen“ Informationsstände auf dem Konrad-Adenauer-Platz nicht zu finden und das Informationsangebot erschöpfte sich in zwei Transparenten mit der Aufschrift: „Westerwälder und Abrüstung in Ost und West“, die an einem Bauzaun befestigt waren. Einzig der SPD-Ortsverein präsentierte einen Info-Stand und verteilte Flugblätter. Die geplante Menschenkette brachte dann ca. 450 Teilnehmer auf die Beine, die zwar keine durchgehende Kette bis zur Kaserne bilden konnte, dafür aber bei Regen mit zahlreichen Transparenten sich zu Fuß auf den Weg machten. Nach kurzem Aufenthalt vor dem Kasernentor traten sie den Rückweg an, während der Dienstbetrieb in der Kaserne unbeteiligt ignorant weiterlief. Immerhin: Die Westerwälder Zeitung titelte am 17. Oktober 1983 „2000 waren nicht auf die Beine zu bringen – Demonstrantenkette zog am Samstag durch die Kreisstadt, 450 Menschen nahmen teil.“ (BS) Fliegenjagd auf Amerikanisch Nach dem 1. Weltkrieg war Montabaur durch US-amerikanische Truppen besetzt. Hauptquartier war das ehemalige Hotel „Deutscher Kaiser“ in der Bahnhofstraße (Ecke Gerichtsstraße / Bahnhofstraße). Die Besatzungstruppen bzw. die Militärverwaltung erließ umfangreiche Regelungen für das Zusammenleben mit der Zivilbevölkerung und zur Sicherung des öffentlichen Lebens. Dazu gehörten auch weitgehende Eingriffe in die Privatsphäre der Bevölkerung. Die Regelungsbemühungen gingen bis hin zur Bekämpfung der Fliegenplage. Die Besatzungsmacht verpflichtete die Einwohner der Stadt, zur Bekämpfung der grassierenden Fliegenplage eine Fliegenklappe vorzuhalten, um: „ ... die Fliegen bei dem Erscheinen sofort einzeln zu töten“. 13
Der Hubschrauber-Prinz Reinhard Sonnenschein trug auch den Schein eines Montabaurer Originals. Sonnenschein war Beamter der Stadt- und Verbandsgemeinde Montabaur, zuletzt Leiter des Ordnungsamtes und ehrenamtlicher Stadtarchivar. Seine Wortgefechte mit seinem Chef, Bürgermeister Mangels, waren seinerzeit Legende. Sein Engagement im Montabaurer Karneval führte dazu, dass er in der Session 1959 zum Karnevalsprinz gekürt wurde. Sonnenschein wurde seinem Ruf gerecht und inszenierte einen außergewöhnlichen Auftritt. Viel närrisches (und neugieriges) Volk auf dem Juxplatz (heute Konrad-Adenauer-Platz) erlebte eine Hubschrauberlandung der besonderen Art. Dem Hubschrauber entstieg seine Tollität, Prinz Reinhard I mit wehendem Haupthaar, da ihm der Fahrtwind der Rotorblätter seinen Prinzenhut vom Kopf geweht hatte. Ein andere bleibende Erinnerung an Reinhard Sonnenschein ist das Gebäude an der Wilhelm-Mangels-Straße, dass bis heute „Villa Sonnenschein“ genannt wird. In diesem, um 1860 erbauten ehemaligen Rezepturbau war bis zum Bezug des neuen Rathauses 1983 die Ordnungsverwaltung mit der Ortspolizeibehörde untergebracht, deren Amtsleiter Amtsrat Sonnenschein bis zu seiner Pensionierung gewesen ist. (BS/FJL) 14
Der Jubiläumswein Große Ereignisse und Feste warfen ihre Schatten voraus: Während in den Weinbergen, der Sasbacher Winzergenossenschaft, einer der besten in Baden, die Winzer mit der Lese 2015 beschäftigt waren, nichts ahnend, welche besondere Bedeutung diesem Wein zukommen sollte, suchte man in einer Bürgerversammlung in Montabaur nach kreativen Ideen, das 725-jährige Jubiläum der Stadtrechtsverleihung in 2016 zu begehen. Aus vielen Ideen schälte sich eine ganz besonders heraus: Man wollte einen Jubiläumswein kreieren; dem Anlass entsprechend einen besonderen Tropfen: Vielleicht einen „Kaiser“-Wein, oder einen „Rudolf“- beides mit Bezugnahmen auf den Mann, der die Stadtrechte damals verliehen hatte: König Rudolf von Habsburg …. Fündig wurde man durch die Idee eines der der Geschichte wie des Weines kundigen Bürgers, der den Kontakt vermittelte und dem Königswein aus dem Geburtsort von Rudolf ein spezielles Etikett verlieh. In einigen Lokalen, in mehr als 20 Geschäften der Stadt, bei den festlichen Anlässen im Jubiläumsjahr, als Geschenke an Jubilare wurden im Jubiläumsjahr so viele Flaschen vermarktet, dass fast 1,5 Flaschen auf jeden Haushalt der Kernstadt kamen. Nicht mitgerechnet die Flaschen, die noch nach dem Jubiläum von besonderen Weinliebhabern genossen wurden, gab es doch 3 Sorten im Angebot: Müller-Thurgau, sozusagen den Volkswein und den König unter den Rotweinen, einen Spätburgunder und – da Montabaur die Vorräte des Weißen bald ausgetrunken hatte, noch einen qualitativen Weißburgunder. JK/BS Auch die Geschäftsleute in Montabaur beteiligten sich an der Aktion und dekorierten ihre Auslagen mit diesen speziellen Weinangeboten. 15
Neues Gemüse Martinus Neu, Pfarrer, Lehrer und „Historiker“ berichtet in seiner Sammlung „Merkwürdigkeiten von der Stadt Montabaur die er um 1817 verfasste, dass um 1720 die Kartoffel (Grumbiere) in Montabaur, bzw. im Westerwald in Gebrauch kam. In einem Stadtratsprotokoll vom 9. Oktober 1756 wird die Kartoffel als „neues Gemüse“ genannt und ist „überall starkest in Gebrauch gekommen“. Als Volksnahrungsmittel und „Armenspeise“ ersetzte die Kartoffel auch zunehmend das teure Fleisch von der Speisekarte. Kaffee wurde ebenfalls Anfang des 18. Jahrhunderts bekannt. Seit dem 16. Jhd. wusste man vom Anbau von Kaffeebohnen in Afrika, diese kamen mit der Zeit über das Osmanische Reich (Türkei) und den Balkan nach Westeuropa. Das damals auch als „Türkentrank“ bekannte Heißgetränk war zunächst nur den wohlhabenden Familien vorbehalten, da noch sehr teuer. Nach und nach wurde er aber auch den nicht so gut betuchten Familien zugänglich und etablierte sich bald als Morgengetränk, anstatt der früher üblichen Morgensuppe. Allerdings wurde der Kaffeegenuss durch die Obrigkeit zunächst abgelehnt, da es keinen Nahrungswert hatte und nur dazu führte, Geld ins Ausland abfließen zu lassen. In Nassau und in Kur-Trier wurde daher der Kaffeegenuss verboten, was zu sog. „heimlichen Kaffeegesellschaften“ führte, aus denen sich später die (legalen) Kaffeekränzchen und der Nachmittagskaffee entwickelte. Letztendlich setzte sich aber der Volkswille durch und Kaffeetrinken wurde obligatorisch und erlaubt. 16
RICHTFEST Napoleons Bruder Nachdem die aggressive Expansionspolitik Napoleons gescheitert war und das von Napoleon 1807 etablierte „Königreich Westfalen“ sich auflöste, flüchtete der als König eingesetzte jüngste Bruder Napoleons, Jerome, nach Westen, über Wetzlar, Weilburg, Limburg und Montabaur in das zunächst noch sichere Herzogtum Nassau. Die Durchreise Jeromes, bekannt für seine herausfordernde anmaßende Art, die durch das Verhalten seines ihn begleitenden Gefolges noch verstärkt wurde, löste u. a. in Montabaur „schwere Zwischenfälle“ aus. Ein Ersuchen des französischen Feldmarschalls Kellermann, man möge dem „König von Westfalen“ militärischen Schutz geben, wurde mit dem Hinweis abgelehnt, „es stünden derzeit keine felddiensttauglichen Truppen im Lande“. Ein Richtfest ohne Rohbau Im September 1966 bezog das Raketen Artillerie Bataillon 350 die neu erbaute Westerwaldkaserne (heute Wohnviertel Quartier Süd) am südlichen Stadtrand. Damit wurde Montabaur nach rund 65 Jahren wieder Garnisonsstadt. Im Rahmen der Truppenbetreuung wurde ein Soldatenheim geplant (heute Stadthalle „Haus Mons Tabor”). Dazu wurde das Grundstück Ecke Koblenzer Straße / Kolpingstraße erworben, auf dem das alte Kolping-(Gesellen)haus stand. Nachdem bereits im Juni 1976 das alte Gesellenhaus niedergelegt worden war, dauerte es wegen der langwierigen Verhandlungen doch noch bis Ende 1979, bevor das Bauvorhaben angegangen werden konnte. In der Stadt machte sich derweilen bei Vereinen und Bürgern Unmut und Ungeduld breit, da mit dem alten Kolpinghaus ein wichtiger Veranstaltungs-und Versammlungsort im Zentrum der Stadt nicht mehr zur Verfügung stand. Am Kirmesdienstag 1977 besetzte eine Gruppe junger Männer und Soldaten das Trümmergrundstück, um in geselliger Runde nachdrücklich für einen baldigen Baubeginn zu demonstrieren. Ein aufgestelltes Schild mit der Aufschrift „Richtfest“ sah gar schon den Rohbau errichtet. Die Westerwälder Zeitung kommentierte das Bild zu dem Bericht vom 10.08.1977 etwas robust: „Oder ist es zu viel verlangt , die Verantwortlichen zu bitten, bei den Bonnern Vertragspartnern auf den Tisch zu hauen, dass sich endlich in Montabaur was tut“. 17
Warum Roter Löwe „Red Lewe“ – „Roter Löwe“ werden seit dem Mittelalter die Rathäuser der Stadt Montabaur genannt. „Roter Löwe“ gilt als Synonym für die Gerichtshoheit, da in früheren Zeiten das Rathaus auch Gerichtsstätte war. Während die Farbe Rot als „Gerichtsfarbe“ gilt – oberste Richter trugen und tragen rote Roben (z. B. für Richter des Bundesverfassungsgerichts), Purpur-Rot ist die Farbe der juristischen Fakultät an Universitäten – wird der Löwe als Herrschaftssymbol dem Thron König Salomons (AT) zugeordnet. König Salomon herrschte im 10. Jahrhundert v. Chr. über das vereinigte Königreich Israel und gilt als der verbindlichste Richter des Alten Testaments. Ein „salomonisches Urteil“ gilt noch heute als ein geflügeltes Wort. Gegen die Schwarzen Teufel Am Wochenende 26. / 27.07.1969 titelte die Westerwälder Zeitung: „EINE HALBE KOMPANIE PRÜGELTE DRAUFLOS“. Weiter heißt es in der Überschrift: „Mit Knüppeln und Ketten Rockergruppe überfallen. Eine „halbe Kompanie“ Bundeswehrsoldaten in Stärke von etwa 70 - 80 Mann hat nach polizeilichen Angaben am Donnerstag Abend gegen 17.30 Uhr eine 16-köpfige “Rocker“-Gruppe, die in einem Steinbruch zwischen Eschelbach und Wirges campierte, zusammengeschlagen und die Zeltausrüstung der Gruppe sowie Radios und Mopeds demoliert.“ Den Roten Löwen, das Stadtwappen haltend, zeigt auch eine Sandsteinplastik, die ab dem 16. Jahrhundert vor dem Rathaus die Gerichtstätte anzeigt. Das Gerichtsymbol findet sich heute wettergeschützt unter den Arkaden des alten Rathauses am Großen Markt. (BS.) 18
Was war geschehen? Die Affäre, die auch ein breites Echo in Leserbriefen und Kommentaren in der Westerwälder Zeitung fand, wurde durch zwei Vorgänge ausgelöst. Einerseits ergriffen besagte „Rocker“ Partei bei einer Schlägerei, in die ein (oder zwei) Soldat(en) mit einem „Niederelberter“ verwickelt waren, zugunsten des „Zivilisten“. Andererseits fiel die Gruppe, die sich selbst „Schwarze Teufel“ nannten, durch Pöbeleien gegenüber Personen in der Stadt unangenehm auf. Die Reaktion war eine „Strafaktion“ einer Gruppe von jungen Männern, die wohl auch in der Westerwald-Kaserne stationiert waren. Dabei ging man offensichtlich nicht zimperlich vor, wurden doch letztendlich 16 Soldaten (soweit relativierte sich die „halbe Kompanie“ in einer Stärke von 70 – 80 Mann) „wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung“ von den Rockern angezeigt. Zwei Jahre später, am 22.07.1971 fand vor dem Amtsgericht-Schöffengericht in Montabaur der Prozess statt. Gegen die Begleichung des Schadenersatzes von damals rd. 5500 DM wegen der zerstörten Motorräder und Zelte und Übernahme der Prozesskosten wurde das Verfahren gegen die Soldaten eingestellt. Außer der Genugtuung für ihre Selbstjustiz, die im Übrigen von einem Großteil der Montabaurer Bürger geteilt wurde, blieben die Soldaten nunmehr auf einem Haufen Schulden sitzen. Allerdings wurden sie durch die „Solidarität“ Montabaurer Bürger und hier auch insbesondere von Geschäftsleuten und Ärzten zu einem guten Teil ihrer monetären Sorgen enthoben. Nach Akten des Stadtarchivs Montabaur ergab eine spontane Spendenaktion von namentlich erfassten Spendern immerhin eine Summe von 2.950,-- DM. Nach den vorhandenen Sammellisten hat sogar die Stadtverwaltung 100,-- DM gespendet (wo wird das wohl verbucht worden sein?). Den Rest steuerten Offiziere und Unteroffiziere der Westerwald-Kaserne bei, die – bei gleichzeitiger disziplinärer Würdigung (sprich: Bestrafung) der Verursacher – vom Kasernenkommandanten und Bataillonskommandeur darum gebeten wurden. 19
Auf die Barrikaden EIN ZEITZEUGE UND AKTIVIST BERICHTET: „Nach jahrelangem Schätzen heißt´s nun Besetzen!” So der Slogan von vielen enttäuschten Jugendlichen, deren Forderung nach einem Jugendzentrum in Montabaur in der Besetzung eines leerstehenden Hauses am 19./20. 6. 1981 gipfelte. Federführend für diesen lokalen Jugendprotest rund um die Kreisstadt war damals die zwei Jahre zuvor gegründete „Initiativgruppe Jugendzentrum“ (IGJ), die schnell zu einer durchsetzungsstarken und unüberhörbaren Gruppe wurde. Die Jugendlichen verurteilten die wiederholte „Verzögerungstaktik“ der kommunalen Gremien im Hinblick auf die fehlende offene Jugendarbeit scharf. Um der Bevölkerung und den politisch Verantwortlichen zu zeigen, dass man nicht gewillt war, sich noch länger verschaukeln zu lassen, reifte dann der Gedanke ein Haus zu besetzen und es zum Jugendzentrum zu erklären. Als Objekt 20
HAUSBESETZUNG der jugendlichen Begierde war schnell das alte und leerstehende Wasserwirtschaftsamt in Nachbarschaft der Josef-Kehrein-Schule ausgewählt. Etwa 40 Jugendliche hatten über Wochen die Besetzung als strenge Geheimsache vorbereitet, Plakate gemalt und Flugblätter vervielfältigt, die dann in der Nacht vom 19. auf den 20. Juni 1981 unters Volk gebracht wurden. Am nächsten Morgen verbreitete sich die Nachricht von der Hausbesetzung wie ein Lauffeuer in der Kreisstadt und der gesamten Region. Auch ein provisorisches Jugendzentrumsprogramm mit Musik, Workshops und Diskussionen für die folgende Woche war vorbereitet. Schnell war das Haus am nächsten Morgen von Hunderten Schaulustiger ebenso umringt wie von vielen Medienvertreter/innen und Kommunalpolitiker/innen. Auch die Staatsgewalt blieb nicht untätig und rückte gar mit einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei mit Hundestaffel in Montabaur an. Letztere war noch nicht sichtbar, hatte ein Lager auf dem Parkplatz der Kreisverwaltung eingerichtet. Schnell entschlossen hatte der damalige Bürgermeister Wilhelm Mangels den Hausbesetzern ein Gesprächsangebot gemacht, was jedoch nach längerer Verhandlung scheiterte. Die inzwischen auf 80 Personen gewachsene Gruppe der Besetzer erklärte, dass man unter den gegebenen Umständen das Haus nicht freiwillig räumen werde. Die Jugendlichen kündigten an, dass als nächste Aktion das Rathaus besetzt werde, wenn bis zum Jahresende keine spürbaren Fortschritte erkennbar seien. Damit die friedliche Besetzung auch als solche wirken kann, verließen die Jugendlichen trotzdem am Nachmittag freiwillig das Haus, nachdem die Hundertschaft der Polizei aufmarschiert war. In den kommenden Wochen reifte die Entscheidung, in der stadteigenen Katharinenschule ab Sommer 1982 ein JUZ einzurichten – wohl auch um der angedrohten Besetzung des Rathauses und einer möglichen Radikalisierung einiger Jugendlicher zuvorzukommen. Nun wurden die Weichen schnell und richtig gestellt, ein Trägerverein wurde gegründet und das JUZ konnte bald seine Pforten öffnen. Und siehe da: alle Parteien waren jetzt dafür und bei der nächsten Kommunalwahl war das Jugendhaus für alle ein echter Wahlkampfhit! Und 2022 durfte offiziell das 40-jährige Jubiläum der Jugendeinrichtung gefeiert werden. Am 19. Juni 2021 trafen sich viele der damaligen Besetzer/innen zu einem Erinnerungsmeeting im JUZ – die eine oder andere Geschichte von damals wurde dabei wieder lebendig! (USch) 21
Der Skatspieler-Trick Am Montag, dem 20. Juli 1933, wurde Heinrich Roth, der bereits seit dem 2. April als Bürgermeister beurlaubt war verhaftet bzw. „in Schutzhaft genommen“, wie man es seitens der Nationalsozialisten nannte. Fünf Tage war er im Montabaurer Gerichtsgefängnis untergebracht. Seine Frau überliefert, dass er dort in einer Gemeinschaftszelle auf andere missliebige politische Gegner des neuen Regimes traf; nämlich auf „Kommunisten vom Dornberg“. Selbst mit diesen Menschen, eigentlich seine politischen Gegner von links, konnte sich Heinrich Roth mit seinem verbindlichen und leutseligen Naturell verständigen. Sie, die Kommunisten vom Dornberg, brachten Heinrich Roth das Skatspielen bei. Das Skatspielen blieb ihm eine Passion, die er bis zu seinem Lebensende beibehielt. Dicke Luft im Stinkegässchen Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, als Wasserleitungen und Abwasserverrohrung in Gebrauch kamen, waren Umweltbelastung, mangelnde Hygiene und Seuchen ein ständiger Begleiter des täglichen Lebens in unseren engen Altstadtgassen. Kleine Landwirtschaften in der Innenstadt produzierten Mist und Dung vor der Haustür und leiteten diese, gemeinsam mit ggf. gewerblichen Abfällen und Abwässer der häuslichen Abtritte und Waschwasser offen über „Flösschen“ ab. Auch wird berichtet, dass Frauen gebrauchte Windeln in den Stadtbrunnen auswuschen. Dadurch entwickelten sich starke Geruchsbelästigungen und Brutstätten für Ungeziefer. Im 14. Jahrhundert war das auch der Nährboden der zum Ausbruch der Pest/Beulenpest und 1553 zu einem starken Ausbruch in Montabaur führte. Eine Notiz aus dem Stadtarchiv lautet: „1553 was [war] ein Sterben der Pestilenz in der Stadt, war Thomas Schwalbach Bürgermeister“. Diese drastischen Geruchsbelästigungen sind auch der Grund, dass ein vom Burgberg herabführendes Gässchen mit einem Abwasserflösschen in Stadtratsprotokollen 1788 und 1790 als sog. „Stinkegässchen“ bezeichnet wird. Die ursächlichen Zusammenhänge mit dem Ausbruch von Seuchen (er)kannte man seinerzeit noch nicht und vermutete sogar, dass aus dem Boden „sterbend Luft“ entwich und zu den Seuchen führte. (BS/PD S.384) 22
Die Nonnen von Montabaur (eine Sage) Am Ausgang des Hinteren Rebstocks, nicht unweit der Stelle an der heute ein Marienbildstock befestigt ist, lehnte einst vor Jahrhunderten ein kleines Frauenkloster an der Stadtmauer. Dort führte eine kleine Pforte durch die Stadtmauer, hinab zur heutigen Alleestraße und nach Allmannshausen. Dieser Ort wird auch heute noch im Volksmund „Nonnenpforte“ genannt. Die wenigen Nonnen, die in diesem Kloster noch wohnten, übten sich in der Betreuung und Pflege von Kranken und ergingen sich im Zeichen der Nächstenliebe. Es waren wieder unruhige Zeiten und allerlei Kriegsvolk und Gesindel zog durch den Westerwald. Gewalt, Mord und Totschlag waren fast an der Tagesordnung. Ein besonderes Augenmerk der Stadtväter galt daher der Sicherung der Stadt, gegen unerwünschte Reisende oder marodierende Soldaten. Türme und Tore wurden besetzt, die Stadttore des Nachts verschlossen. Eine Nonne vernahm eines Abends vor der Nonnenpforte Wehklagen und erspähte durch ihr Zellenfenster vor der Stadtmauer eine männliche Gestalt, die immer wieder um Hilfe rief, da er schwerverletzt und hilflos sei. Die Nonne, schwankend zwischen ihrer Pflicht als Christenmensch und frommer Berufung zur Pflege Kranker und hilfloser Menschen und andererseits die Sorge um die Gefährdung der Sicherheit der Bewohner, wenn sie denn die Pforte öffnen würde. Der immer schmerzlichere und drängendere Hilferuf des vermeintlich verletzten und hilflosen Menschen vor der Pforte rührte doch dann das Herz der Nonne und sie entschied sich Gottes Gebot zur Nächstenhilfe zu erfüllen. So öffnete sie dann die Pforte. Statt des Verwundeten drangen jedoch Soldaten durch die Pforte und erschlugen die Nonne auf der Stelle, drangen in die Stadt ein und überzogen die Stadt mit Brand und Mord und versetzten die Menschen in große Not und Bedrängnis. Seitdem geistert die Seele der unglücklichen Nonne um diesen Platz an der Stadtmauer und der jetzt verschwundenen Pforte, um Antwort zu finden auf die Frage, warum sie der Stadt Unheil bringen musste, nur weil sie dem Gebot der Nächstenliebe folgte. „Eine fromme Seele“, wie Walter Kalb (ein Heimatforscher) schreibt, errichtete daher an dieser Stelle das Marienbildnis – den Bildstock - um an dieser Stelle an ein stilles Gebet zu mahnen, damit die Seele der jungen Nonne ihre Ruhe und Frieden finden kann. Nonnen, oder ein solches Kloster sind dagegen tatsächlich in Montabaur nach den Urkunden und Archivalien nicht nachgewiesen. (BS/FJL) 23
Umweltschutz Anno 1746 Montabaur war im 18. Jahrhundert bekannt für seine Tuchweber und Färber, sowie der Gerber (Loehr). Produktion und Färberei mit ihren Abwässern führte zur Verunreinigung des Stadtbachs. Zwar waren die Produktionsstätten, auch wegen der von ihnen ausgehenden Feuergefahr, am Rande der Stadtbebauung gelegen, trotzdem entstand eine nicht unerhebliche Geruchsbelästigung und Verunreinigung der städtischen Gewässer. Die Bezeichnung „Färberbach“ (heute entlang der Hospitalgasse und Biergasse verrohrt) gibt noch Zeugnis davon. Allerdings war auch der kurfürstliche Tiergarten betroffen, da einer der Bäche dort entlang floss und der Tiertränke diente. Die Kurfürstliche Hofkammer sah sich daher genötigt, wiederholt mit einem Amtsbefehl zu verfügen: Als Ehrenbürger abgelehnt Am 2. Juni 1930 beantragen 17 Bürger der Stadt Montabaur beim Magistrat die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an einen damals 26jährigen Studenten. Begründet wird der Antrag mit der ,,Anerkennung seiner um die Stadt geleisteten langjährigen Arbeit und als Ansporn zu weiterem Schaffen für die Stadt“. Der damalige Bürgermeister Heinrich Roth vermerkt lapidar handschriftlich auf dem Antrag: ,,Den Antrag habe ich, als ich mündlich davon vor 14 Tagen erfuhr, bei einer persönlichen Besprechung mit Herrn NN als undurchführbar abgelehnt.“ Hier holte Roth bestimmte Kreise in der Stadt kurz, bündig und unbürokratisch auf den Boden der realen Tatsachen zurück. Der Vorgang ist kennzeichnend für den damaligen Bürgermeister, der uns hier noch mit seinem unkonventionellen, aber erfolgreichem Führungsstil begegnen wird. (BS/PW) „ … auf churfürstlich strengsten Befehl ein Verbot dahin zu erlassen, dass zur Be/Verhinderung aller Verunsauberung des durch den hiesigen churfürstlichen Tiergarten fließenden Bach und dahier entstehenden Schaden (niemals) Farben darinnen schütten oder frisch gefärbte Tücher abwaschen solle, widrigens der Contravenient [Übertreter] in Rezess Strafe von 10 rthr (bekommen solle), wovon die Hälfte der Denunziant zu genießen soll.“ (BS/StA) 24
Zum Heiligen Geist Es spricht einiges dafür, dass es sich dabei um ein Vorgängerbau des noch heute stehenden Gebäudes handelt. Schon im Dreißigjährigen Krieg und im 18. Jahrhundert sollen nach einem Bericht eines Zeitgenossen, Werbeoffiziere, die im Gasthaus logierten, junge Burschen mit faulen Tricks und unter reichlich Alkohol in der Gaststätte zum Kriegsdienst angeworben haben. Daraus bildete sich mit der Zeit die Bezeichnung „Werbhausgasse“, für die kurze Gasse zwischen Kirchstraße und Judengasse. Eine weitere Quelle weiß auch von anderen Städten zu berichten, dass voll alkoholisierte Burschen heimlich in einem Sarg aus der Stadt gebracht wurden. Da Montabaurer Bürger vom Militärdienst befreit waren ist es nicht auszuschließen, dass sich doch einige aus Abenteuerlust auch ungezwungen zum Militärdienst meldeten. Nach hiesigen Heimatforschern ist es jedenfalls vermutlich der Grund, warum die Gaststätte seit dem 17./18. Jahrhundert auch „Werbhaus“ genannt wird. Im Zuge umfangreicher Namensgebungen für Straßen und Gassen der Stadt im Jahre 1899 wurde das kurze Gässchen (Ahlen) durch Stadtratsbeschluss „Werbhausgasse“ genannt. (BS/SW) Ein „Gasthaus zum Heiligen Geist” in Montabaur wird am 29. September 1474 in einer Westerburger Urkunde als „eine offene Herberge zum heiligen Geist“ genannt. 25
Der Wolfsturm und die Hexen Der rund 20 Meter hohe Turm, bis zur Höhe der ehemaligen Stadtmauer in dreiviertel runder Form gegründet, umfasst zwei Stockwerke. Die Bauzeit wird in die Mitte des 14. Jahrhunderts zu datieren sein, als in Folge der Stadtrechtsverleihung eine Stadtbefestigung mit Mauern, ca. 15 Türmen und Tor-Pforten, angelegt werden konnte. Dieser ungewöhnlich große Turm diente – außer als Beobachtungspunkt – als Gefängnis und während der Zeit der Hexenverfolgung von 1628 bis 1632 als Verlies für die der Hexerei verdächtigen Frauen und auch Kinder. Ab Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Stadtbefestigung selektiv abgebrochen, da sie wegen der Reichweite und Durchschlagskraft moderner Artilleriewaffen nicht mehr zeitgemäß war. Der „Wolfsturm“ überstand diese Phase zunächst unbeschadet. Gleichwohl nagte der Zahn der Zeit an dem Bauwerk, so dass es 1876 fast wegen Einsturzgefahr abgerissen werden sollte. (PD/BS) Im Südwesten der Altstadt erhebt sich weit sichtbar das markanteste Bauwerk der ehemaligen Stadtbefestigung, der sogenannte „Wolfsturm“. 26
Wandlungen – der Stadtname Sprache wandelt sich, Worte gehen und kommen oder verändern sich. Das betrifft auch Namen und auch und gerade geographische Namen. Bekannt ist den Bewohnern der Kreisstadt, dass der Ort ursprünglich einmal „Humbach“ hieß – und im 13. Jahrhundert nach einem „Besuch“ des Landesherrn in „Mons Tabor“ umbenannt wurde. Daraus hat sich dann im Laufe der Zeit „Montabaur“ entwickelt – aber die Entwicklung bleibt nicht stehen. „Mei Mondebauer“ betitelt noch der Heimatdichter Jakob Hannappel im 19. Jhdt. die Schusterstadt. Aber auch die beiden jüngsten Jahrhunderte haben ihre Wandlungen in der Namensgebung der Stadt prägend hinterlassen. Jedes Mal, wenn ich von der Autobahn in die Stadt komme, ärgere ich mich über die völlig unnötige Beschilderung Richtung „Mon“… - es wäre Platz für „Montabaur“, falls es eine Einschränkung auf einen Stadtteil geben sollte, wäre das früher bekannte und beliebte „MT“ angebrachter – z.B. „MT-Stadtmitte“… aber „Mon“? – ein erster Schildbürgerstreich – dem noch ein weiterer folgt. Wer bis vor kurzem in den Tiefgaragen der Stadt nach einer Quittung drückt, erhielt ein weiteres Geschichtsdokument – die WZ berichtete – „Montabauer“. Ich sammele die Quittungen, irgendwann einmal wird es interessierte Stadtbewohner geben, die aus historischem Interesse Dokumente zur Entwicklung von Stadt und Namen sammeln. Vielleicht gibt es dann im Nachhinein die Gebühren fürs Parken aus Sammlerleidenschaft erstattet? Schon heute biete ich diese Zeitdokumente dem Stadtarchiv zum Kauf an, wer sonst hat solchen Weitblick bewiesen und solches Material gesammelt? Mal schauen, welche Schreibweisen unserer Heimatstadt uns noch erwarten – vielleicht müssen wir ja nicht bis zum 22. Jahrhundert auf die nächste Variante warten. (JK/BS) Humbach Mons Tabor Montabaur 27
Stand: 05/2025 HERAUSGEBER Stadt Montabaur Großer Markt 10 56410 Montabaur www.montabaur.de Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die: Tourist-Information Großer Markt 12 56410 Montabaur Telefon 02602 9502780 tourismus@montabaur.de www.suedlicher-westerwald.de Öffnungszeiten der Tourist-Information: Mai bis September Montag–Freitag: 09.00–17.00 Uhr Samstag: 09.00–14.00 Uhr Oktober bis April Ab April zusätzlich Montag–Freitag: 09.00–16.00 Uhr Samstag: 09.00–14.00 Uhr Auskunft zu weiteren saisonalen Öffnungszeiten geben wir Ihnen gerne per Telefon oder schauen Sie auf unsere Internetseite. Folgen Sie uns in die Natur auf: MontabaurimsuedlichenWesterwald suedlicher_westerwald
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